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Die auffällige Politikverdrossenheit Jugendlicher

In St. Andrä- Wördern, einem aus 7 Katastralgemeinden bestehenden Ort ca. 25 km außerhalb Wiens, wurden Meetings durchgeführt, die zur Erneuerung des Ortsentwicklungskonzeptes beitragen sollten. Thema: Wie soll meine unmittelbare Umgebung in 20 Jahren aussehen?

Was würde ich mir in 20 Jahren an Infrastruktur, Beschaffenheit der Umgebung, Qualität der unmittelbaren Lebenswelt vorstellen? 4 Veranstaltungen, jeweils an Samstagen bzw. einmal an einem Freitag Nachmittag waren ausnehmend gut besucht – allesamt von Menschen über 30. Waren zwei oder vielleicht gar vier Jugendliche dabei? Und wenn, dann aus Eigeninitiative oder weil die Eltern versuchten, sie für die Thematik zu interessieren? Ein extra Termin für Jugendliche war angeblich von 7 Leuten nicht über die Maßen besucht.

Nicht motivierbar?

Es liegt nicht daran, dass zu wenige junge Leute im Ort lebten. Morgens ist die Schnellbahn voll von Schülerinnen, die weiterführende Schulen in Klosterneuburg und Wien besuchen. Auch die örtliche Informatikhauptschule kann nicht über eine zu niedrige Zahl an Schülerinnen und Schülern klagen. Junge Leute auf Ausbildungsplätzen in Tulln, Wien und Umgebung wohnen in einer der 7 Katastralgemeinden. Doch politisch motivierbar sind sie nicht, zumindest nicht so, wie auf dem Plakat vor der Bürgermeisterwahl im Jahre 2010. Da stand der Spitzenkandidat vor einem Glasgebäude moderner Architektur, übrigens einem, das in den 7 Katastralgemeinden nicht zu finden ist, mit lächelnden Jugendlichen beider Geschlechter, adjustiert mit aktuellem elektronischem Equipment, über das jetzt bereits Fünfjährige verfügen. Wo aber sind die? Wer kennt sie? Wo ist die Bürgermeisternähe zu diesen frischen Gesichtern mit frischen Ideen und einer ungefähren Ahnung, was sie in den nächsten zwanzig Jahren erhalten, verändern, beleben möchten? Was bewegt oder motiviert die Jugend? Und wie kommen wir Ältersemestrige dahinter?

Fehlen die Wegweiser?

Während der Nachkriegsjahre war man damit beschäftigt, das Land wieder aufzubauen, Strukturen zu schaffen, das durch den Krieg unterbrochene Studium wieder aufzunehmen, sich eine solide Basis zu schaffen.

Die Sechziger und Siebzigerjahre waren von Revolutionen geprägt, und vor allem die Jugend  war es, welche starre Konventionen, fragwürdige Glaubenssätze und einzementierte Verhaltenskodizes aufzubrechen versuchte und teilweise große Erfolge damit hatte. Auch die Erziehung der Kinder wurde revolutioniert und vieles, vor allem der Begriff „autoritär“, wurde hinterfragt.

Die folgenden Jahrzehnte waren sehr philosophisch geprägt und nächtelang wurde über den Begriff „normal“ diskutiert. Sogar die Religion wurde infrage gestellt und nun stand einem Menschen in unserem Teil der Welt so frei wie nie zuvor, welcher Glaubensrichtung, Weltanschauung, Lebensweise, Haltung usw. der Vorzug gegeben werden sollte.

Man sollte meinen, dass dies zu paradiesischen Zuständen führen müsste. Doch bereits zur Jahrhundertwende zeichnete sich ab, dass im Überfluss der Möglichkeiten sich sogar eine gewisse Orientierungslosigkeit, Angst,  Depression oder Frustration entwickelte. Mangels Prognosen eine immer instabilere Zukunft vor Augen ziehen Jugendliche sich in eine eher kleinere, überschaubare Welt zurück, ohne den Wunsch, aufzubrechen, zu erleben, zu verändern, aktiv ihre Zukunft zu kreieren. Wie manipulativ elektronische Geräte und Medien dabei Einfluss nehmen, diesem Kapitel wenden wir uns im nächsten Newsletter zu.

Martina Sattmann/  www.synergy-balance.com

Helmut Hofmann

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