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Wahlen in St. Andrä-Wördern: Wer andern eine Grube gräbt

Kreativität beim Stimmenfang kann wahlentscheidend sein. Nicht nur in die beabsichtigte Richtung. Die Wahlen in den Gemeinderat haben gezeigt, dass „kreative“ Schüsse auch nach hinten losgehen können.

 

Wählertäuschung statt Wählerinformation

Auf einer dem offiziellen Briefkopf des Bürgermeisters täuschend ähnlichen Nachbildung versandte Bürgermeister Alfred Stachelberger folgende Wahlwerbung für sich und damit für die Partei, auf deren Liste er kandidierte (SPÖ):

 

14. Jänner 2015

Sehr geehrter...

Als EU-Bürger sind Sie bei der Gemeinderatswahl am 25. September 2015 selbstverständlich wahlberechtigt. Sie haben vor einigen Tagen per Post an Ihre Adresse in der Gemeinde auch bereits Ihre Wählerverständigungskarte mit allen Details zur Wahl bekommen. .....

Darum bitte ich sie, Sonntag, 25. September, zur Wahl zu gehen und ich bitte Sie, mich bei der Wahl als Bürgermeister mit meinem Stimmzettel, den Sie mit diesem Brief erhalten, zu unterstützen. Herzlichen Dank!

Mit freundlichen Grüßen
Alfred Stachelberger
Bürgermeister

 

Schuss ins eigene Knie?

Vielleicht haben etliche der EU-Bürger von St. Andrä-Wördern im Namen und mit amtlichem Briefpapier des Bürgermeisters dessen Liste (SPÖ) wählen wollen. Vielleicht haben dies sogar einige trotz dieser Wählertäuschung getan. Viele waren es sicher nicht, die man mit diesem verzweifelten Versuch gewonnen hat, ein paar der dahinschmelzenden Stimmen zu retten. Verprellt hat man damit Hunderte. Denn gerade jene ehrlichen Sozialisten, denen die alten Ideale ihrer Partei noch etwas bedeuteten, wenden sich angewidert ab von einem „neuen“ Sozialismus, der versucht, mit Schlägen unter die Gürtellinie wettzumachen, was seine derzeitigen Funktionäre an Attraktivität eingebüßt haben. Egal, wer welche Ausrede findet, der Wähler hat seine Antwort schon erteilt: die einstige Mehrheitspartei hält nun bei 38% der Stimmen, Tendenz weiter fallend, wenn sich nichts dramatisch ändert.

Politiker haben heute schwer darum zu kämpfen, in der Bevölkerung wenigstens einen Rest von Vertrauen zu behalten. Auch diesen Rest leichtfertig aufs Spiel zu setzen, ist ein untauglicher Versuch, dem fortschreitenden Wählerschwund zu begegnen.

Wahlanfechtung?

Die, denen man mit solchem Verhalten Wähler abspenstig zu machen versucht hat, dachten zunächst an Wahlanfechtung. Vermutlich ohne Erfolgschancen, denn wahlentscheidend wird man den plumpen Werbungsversuch angesichts des Stimmenverlustes von mehr als 8 Prozentpunkten wohl kaum nennen können. Dennoch wird man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können.

2010, bei der letzten Gemeinderatswahl, hatte die SPÖ ihre absolute Mehrheit in St. Andrä-Wördern verloren. Es sah nach einer politische Neuordnung in der Gemeinde aus. Überraschend beschloss damals die Zweimann-Fraktion der FPÖ, den in seiner Stellung wankenden Bürgermeister aufzufangen und mit Hilfe ihrer Stimmen im Amt zu halten.

Er hat es ihnen gedankt, indem er seine Stellung als Bürgermeister für unfaire Wahlwerbung benützt hat. Die Empörung der unbedankten Mehrheitsbeschaffer kommt zu spät. Ihr wenig berauschender Stimmenzuwachs sagt ihnen, sie hätten besser daran getan, sich des alt-germanisches Rechtssprichworts zu besinnen, das seine Aktualität bis heute bewahrt hat:  Trau, schau, wem.

Amtsmissbrauch? Jaein...

Da der Verdacht eines Amtsmissbrauchs vorlag, übermittelte der Wörderner Bürger Dr. Einhard Schrader eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft. Diese stellte fest: “Zwar erwecke der Brief den Anschein eines amtlichen Schreibens, sodass das Verbrechen des Amtsmissbrauchs gemäß § 302 Abs 1 SIGB objektiv erfüllt sein mag, doch könne dem Beschuldigten die für den subjektiven Tatbestand notwendige Schädigungsabsicht, sowie die Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs nicht nachgewiesen werden. Mit anderen Worten: Bürgermeister, die nicht wissen, wann und wie sie ihr Amt missbrauchen, sind einer Gemeinde durchaus zumutbar.

Ein Eigentor

So weit, so ungut. Aber es kommt noch dicker. Der nunmehrige Ex-Bürgermeister sah sich bemüßigt, im SP-Blatt „Hagenthaler“ seine Sicht der Dinge darzustellen. Ausführlich geht er auf die Verfahrenseinstellung und die Zurückweisung des Fortführungsantrags ein, verschweigt aber die dafür von der Staatsanwaltschaft angeführten, für ihn wenig schmeichelhaften Gründe und provoziert überdies noch ausdrücklich eine Reaktion des Dr. Schrader. Die erfolgte allerdings postwendend (eingeschrieben) in der ausdrücklichen „Erwartung“, dass auch ihr im „Hagenthaler“ Raum gegeben werde – wohl ein Gebot der Fairness und Ehrlichkeit. Denkste. Stachelbergers Antwort: die Annahme des Briefes wurde verweigert. Wie gewohnt: Tauchstation.

Was nun?

Man kann und darf in einem demokratischen Rechtsstaat solche „Ausrutscher“ nicht unwidersprochen hinnehmen, nicht einfach zur Tagesordnung wie gehabt übergehen. Das Wahlergebnis sollte als deutliche Warnung dienen.

Die Rache der Journalisten an den Politikern ist das Archiv. Auch „Bürger für Bürger“ (B4B) hat begonnen, ein Archiv anzulegen, ein Archiv von Versäumnissen der Obrigkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Es wird unser ständiger Begleiter sein und immer wieder daran erinnern, wie gewählte Volksvertreter das Vertrauen ihrer Wähler enttäuscht haben.

Helmut Hofmann

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