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Ökobüro - Umweltverträglichkeitsprüfungen

2. EUGH beantwortet wesentliche Auslegungsfragen zum Umfang von Natur- und Umweltverträglichkeitsprüfungen

 

Anlässlich der Genehmigung eines Straßenbauprojekts, das durch zwei irische Natura2000-Gebiete verlaufen soll, hatte sich der EuGH mit zahlreichen Fragen zur Auslegung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) sowie der UVP-Richtlinie zu befassen. Das Anfang November gefällte Urteil (C-461/17, Holohan ua) enthält unter anderem wertvolle Ausführungen zum inhaltlichen Umfang von Naturverträglichkeitsprüfungen sowie zur Tragweite des Begriffs „wichtigste anderweitige Lösungsmöglichkeit“. Dabei stellt der EuGH außer Zweifel, dass an die Angemessenheit einer Prüfung ein strenger Maßstab anzulegen ist und zwar insbesondere was die Ermittlungstätigkeiten der zuständigen Behörden betrifft.

Naturverträglichkeitsprüfungen bei Beeinträchtigungen von Europaschutzgebieten

Zur Erhaltung von ausgewiesenen Europaschutzgebieten sieht die FFH-RL vor, dass Pläne oder Projekte, die diese Gebiete beeinträchtigen könnten, auf ihre Verträglichkeit mit den betroffenen Schutzgebieten zu prüfen sind. Nach Ansicht des EuGH kann nur von einer angemessenen Prüfung gesprochen werden, wenn sämtliche Gesichtspunkte eines Projekts unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse ermittelt wurden. Die anschließend getroffenen Feststellungen müssen derart präzise, vollständig und endgültig sein, dass aus wissenschaftlicher Sicht keine vernünftigen Zweifel am Nichtvorliegen nachteiliger Auswirkungen auf das geschützte Gebiet bestehen. Es ist somit die Gesamtheit der Lebensräume und Arten, für die das Gebiet geschützt wurde, zu erfassen. Wenn Auswirkungen auf Lebensraumtypen und Arten außerhalb des geschützten Gebiets die Erhaltungsziele des Gebiets beeinträchtigen können, sind zudem auch diese Auswirkungen erörtern.

Aus dieser umfassenden Ermittlungspflicht der Behörden vor der Genehmigung folgt außerdem, dass Projektwerbende Projektmerkmale nur dann später festlegen dürfen, wenn kein wissenschaftlicher Zweifel besteht, dass sie das Schutzgebiet nicht beeinträchtigen können.

Bestehen außerdem vernünftige wissenschaftliche Zweifel am Ausreichen der verfügbaren Informationen und unterlässt die Behörde die Einholung weiterer Informationen, muss dies ausführlich begründet werden, um alle Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen auf das Schutzgebiet auszuräumen.

Alternativenprüfung im UVP-Verfahren
Gemäß der UVP-RL müssen Projektwerbende eine Übersicht über die „wichtigsten anderweitigen geprüften Lösungsmöglichkeiten“ vorlegen und die wesentlichen Auswahlgründe im Hinblick auf Umweltauswirkungen angeben. In der UVP-RL findet sich keine Definition dieses Begriffs, sodass nach Ansicht des EuGH der entscheidende Faktor für die Beurteilung von Alternativen als „wichtig“, darin besteht, ob diese Alternativen die Umweltauswirkungen des Projekts beeinflussen oder nicht. Der Zeitpunkt, zu dem eine Alternative von den Projetwerbenden verworfen wird, ist dabei irrelevant.
Projektwerbende müssen ihre Auswahl zwar im Hinblick auf die jeweiligen Umweltauswirkungen begründen, die UVP-RL verlangt jedoch nicht, auch die geprüften alternativen Lösungsmöglichkeiten einer UVP zu unterziehen.
Diesbezüglich führt der EuGH schließlich noch aus, dass eine Liste der geprüften Lösungsmöglichkeiten unabhängig davon vorzulegen ist, ob diese ursprünglich von den Projektwerbenden oder von der Behörde ins Auge gefasst oder von anderen Stakeholdern empfohlen wurden. Die Folgen eines völligen Unterbleibens einer solchen Alternativenprüfung durch die Projektwerbenden bleiben aufgrund des Wortlauts der Entscheidung („all the main alternatives that were studied by the developer“) aber weiterhin unklar.

Für österreichische Naturschutzverfahren wird dadurch klargestellt, dass die Naturschutzbehörden bei der Prüfung von potentiellen Eingriffen in Europaschutzgebiete ein hohes Maß an Genauigkeit anlegen müssen und sie bereits im Ermittlungsverfahren eine umfassende Begründungspflicht trifft. Für UVP-Verfahren in Österreich ergibt sich aus dieser EuGH-Entscheidung außerdem, dass die Projektwerbenden alle geprüften Alternativen darlegen und ihre Auswahl begründen müssen.

Weitere Informationen:
Urteil des EuGH im Fall C-461/17
FFH-RL (92/43/EWG)
UVP-RL (2011/92/EU)

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