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(5) Bürgerbeteiligung ist:

Nur für Eliten?

Politiker, die gewohnt sind, ihre Wähler zu gängeln, und von dieser Gewohnheit nicht lassen möchten, haben das hinterhältige Märchen erfunden, Bürgerbeteiligung sei eine Freizeitbeschäftigung für Eliten.

Sie behaupten ohne nähere Begründung, Bürgerbeteiligung sei im allgemeinen eine Sache gebildeterer Personen, die sich sprachlich gut ausdrücken könnten und rednerisch begabt seien, während bildungsferneren und sozial unterprivilegierten Bevölkerungsschichten keine Möglichkeit zu wirksamer Partizipation offen stehe.

Diskriminierend und realitätsferne

Dass solche Pauschalunterstellungen nicht nur dumm, sondern auch beleidigend und diskriminierend für jene sind, die aus ganz anderen Motiven in Bürgerinitiativen nicht an vorderster Front stehen, kommt denen, die solche Märchen verbreiten, offenbar gar nicht in den Sinn. Sie haben ja in Wahrheit gerade mit solchen Bevölkerungsschichten herzlich wenig Kontakt: Sie meiden ihn auch deshalb, weil Diskussionen mit einfachen Menschen, noch dazu wenn sie der Sprache nicht so mächtig sind, für sie sehr oft frustrierend sind. Dann nämlich, wenn sie auf eingelernte, hohle, nichtssagende und mit Fremdwörtern durchsetzte Phrasen sauer reagieren, vor allem aber, wenn man gleich mit der Oberlehrerkeule über sie herfällt und nicht die Geduld aufbringt, ihnen zuzuhören.

Versierte und weniger versierte Sprecher

Es liegt in der Natur der Sache, dass man die unbedankte Vertretung einer (politischen) Personengemeinschaft, wie es eine Bürgerinitiative nun einmal ist, nicht jenen umhängt, die sich sprachlich, aus welchem Grund auch immer, schwer tun. Die Sprecher einer Initiative werden der gestellten Aufgabe umso eher nachkommen, wenn sie daran keine Redehemmungen hindern, wie sie vielen Menschen eigen sind. Nicht jeder ist ein Demosthenes, der bekanntlich seinen Sprachfehler durch mühevolles, eisernes Training ausmerzte.

Berechtigte Angst

Was Gegner der Bürgerbeteiligung gerne unter den Teppich kehren ist, dass sie und ihresgleichen erwiesenermaßen nicht vor Repressalien gegen „aufmüpfige“ Bürger zurückschrecken. Gerade an verbalen Keulen gegen Bürgerbeteiligung, etwa die Bezeichnung von engagierten Bürgern als „Terroristen“ (merkwürdigerweise haben die sonst so genderbewussten Beteiligungsfeinde noch nie von Terroristinnen gesprochen), kann man jene erkennen, die auch vor schärferen Maßnahmen nicht zurückschrecken. Überlegte Jugendliche wollen sich ihre Karriere nicht verbauen. Fälle, in denen in Initiativen engagierten Lehrern oder Beamten mit „Maßnahmen“ gedroht wurde, sind keine Seltenheit. Eltern mussten aus ähnlichen Gründen ihre Kinder von der Schule nehmen. Oft dringt nur die Spitze des Eisbergs an die Öffentlichkeit, wie die eines Beamten, der sich dem Gesetz mehr als dem Landeshauptmann verpflichtet sah und kurzerhand „entfernt“ wurde. So lange derartige Drohungen mehr oder weniger unverhohlen in den Raum gestellt werden, müssen sich die davon Betroffenen im Hintergrund halten. Ganz besonders gilt dies für sozial Unterprivilegierte, bei denen ein leiser Wink, manchmal sogar der natürliche Vorausgehorsams-Instinkt genügt, um nicht aufzufallen und in der Deckung zu bleiben. Es gehört schon eine gründliche Portion Zynismus und Abgefeimtheit dazu, solche Menschen und die in der Öffentlichkeit für sie und ihre Interessen Auftretenden mit der  Eliten-Keule auseinanderdividieren zu wollen.

Auch Initiativensprecher sind Mandatare

Vor allem vergessen Politiker beim Auspacken dieser Keule, dass sie selbst eine Elite darstellen, die – als „Mandatare“ - von der Masse der Wähler zur Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt wurden. Normalerweise wählt das Volk ja auch nicht gerade diejenigen in die gesetzgebenden Körperschaften, die Schwierigkeiten haben, sich verständlich auszudrücken und ihre Ansichten zu formulieren. Warum also sollte bei Bürgerinitiativen schlecht sein, was im stinknormalen demokratischen Leben selbstverständlich ist?

Helmut Hofmann

(wird fortgesetzt)

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