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Brief an Verhandlungsteam Grüne und NEOS

Dringlicher Antrag zu Koalitionsverhandlungen

Initiativen und NGO’s fordern von der neuen Regierung direkte Demokratie ohne unüberwindbare Hürden, verbesserte Regeln für transparente, faire und offene Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) und eine Stärkung des Verfassungsgerichtshofes.

Die unterzeichnenden Initiativen und NGO’s ersuchen dringend, folgende Punkte in die Koalitionsverhandlungen mit der türkisen ÖVP als Bedingungen aufzunehmen. Wir beschränken uns bewusst auf nur drei Punkte, die jedoch das demokratische Leben in Österreich wesentlich beeinflussen und zur Stärkung des Demokratiebewusstseins beitragen werden. Nur durch ehrliche und wirksame Mitgestaltungsmöglichkeiten für die Bevölkerung werden wir das Interesse an politischen Prozessen wieder wecken und so unsere demokratischen Werte schützen.

Es sei Ihnen das Molière-Zitat mit auf den harten Weg der Verhandlungen gegeben: “Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“

Die Umwelt-Verträglichkeitsprüfung (UVP):

In Zeiten des Klimawandels und des Artensterbens ist es unerlässlich, auch der Umwelt und den betroffenen Menschen durch eine neutrale, offene und transparente Prüfung von Großprojekten eine Stimme zu geben. Es kann nicht sein, dass von Projektwerbern Alternativen in den Wind geschlagen werden und letztlich nur die Finanzkraft, der Einfluss der eigenen Lobbys und die von abhängigen Stellen oder gar den Projektwerbern selbst nominierten Gutachter*innen zählen. Diese Art der Planung ist längst nicht mehr zeitgemäß. Sie hat zu einem guten Teil die Probleme verursacht, vor denen wir heute stehen. Es ist höchste Zeit, die Bürgerrechte zu wahren und die konsensuale Lösungsfindung auf Augenhöhe mit der Bevölkerung verbindlich festzulegen. Die Gleichstellung von Projektwerbern und der beteiligten zivilen Öffentlichkeit ist sicherzustellen. Wir beantragen daher:

  • Die Änderungen der UVP durch die Kurz-Strache-Regierung ist rückgängig zu machen (siehe Vertragsverletzungsverfahren der EU).
  • Das Standort Sicherungsgesetz ist  rückgängig zu machen (oft ist die Länge des Verfahrens durch mangelhafte Einreichunterlagen vom Projektwerber selbst verschuldet).
  • Sicherstellung der Unabhängigkeit der UVP. Derzeit ist es ein Faktum, dass Interessenskonflikte der Behörden (Ministerien) im Falle staatlicher Betriebe nicht auszuschließen sind (z.B. Verbund und 380 KV-Leitung, ÖBB bzgl. Bahntunnels, Flughäfen und Betreibergesellschaften in öffentlicher Hand usw.). Es ist nicht auszuschließen, dass dieser Interessenskonflikt bis zu Verletzungen des Aktiengesetzes gehen könnte, wenn eine Behörde, die auch mehrheitliche Miteigentümerin eines Unternehmens ist, gegen ihr eigenes „staatliches“ Unternehmen entscheidet.
  • Bestellung von Gutachter*innen ausschließlich im Einvernehmen mit den Betroffenen.
  • Sicherstellung der Unabhängigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG). Im Sinne der Gewaltenteilung ist die de facto-Unterstellung des BVwG unter die Regierung auzufheben.
  • Verbindliche Umsetzung der AARHUS-Konvention in der UVP im Sinne des originalen Wortlautes.
  • Einbindung und verpflichtende Umsetzung der Alpenkonvention sowie aller ratifizierten völkerrechtlichen Verträge in die UVP.
  • Verpflichtende Umwelt-Verträglichkeitsprüfungen auch für neue Technologien (Auswirkungen auf Mensch und Umwelt), auch aus humanmedizinischer Sicht (z.B. 5G-Netz, Glasfaser statt Funktechnik etc.) nach aktuellem Stand der medizinischen Wissenschaft und nicht nach ICNIRP-Empfehlungen (privater Verein, von Funk-und E-Wirtschaft finanziert).
  • Umsetzung des EU-Vorsorgeprinzips (siehe Italien).
  • Verpflichtende SUP nach EU-Recht vor den UVP-Verhandlungen.

Verbindliche direkte Demokratie in der Verfassung verankern:

Grüne, NEOS und auch FPÖ sprechen sich immer wieder für echte direkte Demokratie „von unten“ aus, die auch für die Politik verbindliche Ergebnisse zulässt. Zusammen mit der ÖVP ist eine Verankerung direkt-demokratischer Verfahren auf Gemeindeebene (Verbesserung des Verfassungsparagrafen §117 Abs.8 B-VG), auf Landesebene und auch auf Bundesebene möglich, wenn das in Koalitionsverhandlungen so vereinbart wird.

Die Demokratie-Verweigerung der Bevölkerung ist bedrohlich (Wahlbeteiligungen trotz hohem Werbeaufwand immer häufiger nur um die 50%). Sie steht in proportionalem Zusammenhang mit dem Ohnmachtsgefühl der Menschen („...mein Engagement hat keinen Sinn, die machen ja ohnehin, was sie wollen, die fahren über uns drüber... “ usw.). Diese negative Geisteshaltung bedroht unsere westliche Demokratie und ebnet den Weg für radikale Strömungen, in denen sich letztlich der sog. Volkszorn entlädt! Beispiele gibt es bereits genug. Wir beantragen daher:

  • Unerreichbare Zugangshürden für direkt-demokratische Prozesse widersprechen nicht nur den Empfehlungen des Europarates (Venedig-Kommission, Code of Good Practice on Referendums)*, sondern verhindern die aktive Beteiligung der Bevölkerung am politischen Leben. Deshalb sind beispielsweise Regelungen für verbindliche Volksabstimmungen mit einer demoralisierenden, weil kaum erreichbaren Hürde von 900.000 Unterschriften, wie es von der Kurz-Strache Regierung geplant war, als NoGo abzulehenen.
  • Schaffung realistischer „Einstiegshürden“ für verbindliche direkte Demokratie (Vorbild Salzburger Modell für mehr direkte Demokratie auf Gemeindeebene und auch das Wiener "partizipative Modell")
  • Einführung des Bürger*innen-Mandates für Unterstützungserklärungen. Damit ist sichergestellt, dass sich die Wahlbeteiligung auch in der direkten Demokratie widerspiegelt. Das bedeutet: abgegebene gültige Stimmen der letzten Wahl (auf Gemeinde- Landes- oder auch Bundesebene) geteilt durch die Sitze im jeweiligen Gremium = ein Bürger*innen-Mandat. Das ist die Basis für die Berechnung der sog. „Zutrittshürden“. Ist die Wahlbeteiligung hoch, steigt die Zahl der notwendigen Unterstützungserklärungen und umgekehrt.

Beispiel letzte Nationalratswahl: Gültige Stimmen 4.777.246 geteilt durch 183 NR-Sitze = 26.105 Stimmen für ein Bürger*innen-Mandat. Würde man für die Einleitung einer verbindlichen Volksabstimmung z.B. 5 Mandate benötigen, so wären das für die kommenden 5 Jahre 130.525 Unterstützungserklärungen. Eine erreichbare, motivierende Anzahl an Unterstützungserklärungen auf Bundesebene. Entschieden wird ja erst nach ausführlichen Diskussionen / Informationen bei der Bürgerabstimmung, in die sich auch alle Parteien einbringen sollten. So wird Demokratie wieder lebendig.

  • Klarere Formulierung des Art. 117 Abs.8  B-VG, der Mitbestimmung auf Gemeindeebene bereits jetzt grundsätzlich ermöglichen würde: „In Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde kann der Landesgesetzgeber die unmittelbare Teilnahme und Mitwirkung der zum Gemeinderat Wahlberechtigten vorsehen.“  Das heißt, die unmissverständliche bundesweite Klarstellung dieser ursprünglichen Gesetzesabsicht, dass die Bevölkerung auf Gemeindeebene von sich aus verbindliche Mitbestimmung initiieren kann.
  • Finanzielle Unterstützung von NGO’s oder Bürgerinitiativen, die direkt-demokratische Wege beschreiten bzw. Sicherstellung einer ausgewogenen, gleichberechtigten Information der Bevölkerung durch ein konsensual zu bestimmendes unabhängiges Gremium.
  • Vorbild für die Einführung echter und verbindlicher Bürgerinnen-Mitbestimmung sollte natürlich die Schweiz sein. Es gibt aber auch viele andere realistische Modelle wie z.B. in Bayern oder aber das erwähnte Salzburger Modell (schicken wir gerne auf Anfrage).
  • Initiierung einer Demokratie-Arbeitsgruppe unter Einbindung der NGO’s oder z.B. ein Citizens Assembly nach irischem Vorbild mit der klaren Aufgabenstellung, ein Mitbestimmungsmodell für Österreich zu erarbeiten. Dieses Modell wird dann einer verbindlichen Volksabstimmung unterzogen und gemeinsam in die Österreichische Verfassung aufgenommen.

 

)* Venedig-Kommission: Die Venedig-Kommission (Europäische Kommission für Demokratie durch Recht) ist eine Einrichtung des Europarates, die Staaten verfassungsrechtlich berät.

Im Code of Good Practice on Referendums fordert die Venedig Kommission des Europarats (dem ja auch Österreich angehört) auf, die Gültigkeit der Ergebnisse von Volksabstimmungen generell nicht von Quoren abhängig zu machen. Beteiligungsquoren bewirken, dass GegnerInnen des Anliegens einen Vorteil in einer Nichtteilnahme am Referendum sehen und sich daher einer inhaltlichen demokratischen Auseinandersetzung entziehen, was für eine Demokratie "nicht gesund" sei.

 

VfGH soll Gesetze vor Inkrafttreten prüfen:

Nach momentaner Rechtslage besteht das unerträgliche Privileg einer Regierungsmehrheit, Menschenrechtswidriges und Verfassungswidriges beschließen und in Kraft setzen zu dürfen. Damit können z.B. menschenrechtswidrige Gesetze jahrelang Schaden anrichten, bevor sie vom VfGH aufgehoben werden. In den Monaten und mitunter Jahren bis zum VfGH-Entscheid werden mit solchen fehlerbehafteten Gesetzen Fakten geschaffen. Dieses Rechtsstaats-Defizit muss beseitigt werden.
Ähnlich wie in Deutschland soll auch in Österreich die Möglichkeit geschaffen werden, dass die VfGH-Überprüfung von Gesetzen und Ratifizierungen schon vor Inkrafttreten des Gesetzes bzw. des völkerrechtlichen Vertrags erfolgen darf. Dieses Recht auf Prüfungsantrag soll wie in Deutschland einer Parlamentsminderheit, dem Bundespräsidenten sowie einer qualifizierten Anzahl an Bürger*innen zustehen. 

Menschenrechts- und Verfassungskonformität sind ein deutlich höherer Schutzwert als das Interesse einer Regierungsmehrheit, Gesetze rasch und ohne externe Prüfung erlassen zu können.

Wir beantragen daher:

  • Der Verfassungsgerichtshof erhält die Befugnis, Gesetze und Ratifizierungen bereits VOR Inkrafttreten des Gesetzes bzw. eines völkerrechtlichen Vertrages zu überprüfen.
  • Das Recht, den VfGH für eine derartige Überprüfung anrufen zu dürfen, steht einer Parlamentsminderheit, dem Bundespräsidenten und einer qualifizierten Anzahl von stimmberechtigten Bürger*innen zu.
 
Unterzeichner*innen des Antrages in alphabetischer Reihenfolge:
 
Adnet gegen 380 kV
Aktion 21 Austria
Aktion 21 Wien
Aktion Bürger für Bürger
Aktion lebenswerter Flachgau
Aktion Umwelt Tirol
Bürgerinitiative Lochen
Bürgerinitiative Stefan Weiss - gegen Freileitung für Erdkabel
IG-Erdkabel
Initiative „Salzburg für Direkte Demokratie“
mehr demokratie! Österreich
Naturschutzbund Salzburg
Österreichische Umweltschutz-Hilfe
SHG Selbsthilfegruppe Elektrosmog Salzburg

 

Namens der Initiativen und mit der Bitte um ehestmögliche Rückantwort verbleiben wir mit besten Grüßen

Wilfried Rogler                  Dr. Hannes Augustin               Franz Köck              Mag. Erwin Leitner         
Aktion Bürger für Bürger    Naturschutzbund Salzburg      Aktion 21 Austria      mehr demokratie!          
 

Kontakt und Koordination:

Wilfried A. Rogler

A. M. Guttenbrunn Straße 21
5020 Salzburg
mobil: +436604388669
Festnetz: +43662823178
privat: war51@aon.at
Mail Foto©: war51@gmx.at

 

Salzburg, 2019-10-31

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