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Ortsbildwahrung - Offener Brief an die zuständige NÖ Landesspitze

 

Betrifft:     Ortsbildwahrung vs. überdimensionierter Wohnanlagenbau im ländlichen Raum

 

 

Sehr geehrter Hr. Landeshauptmann!

Sehr geehrte Fr. Mag. Mikl-Leitner!                                                                                                                    Juni  2016

 

Ermutigt durch das letzte „GESTALTE(N)“-Heft, dem ich immer wieder entnehme, dass Ihnen Ortsbildwahrung und Dorfentwicklung wichtige Anliegen sind, wende ich mich wieder einmal an Sie und gebe auch nach vier Jahren des Engagements zum Thema  die Hoffnung nicht auf, doch einmal bis zu Ihnen vorzudringen.

Ich habe mit großer Freude gelesen, dass Sie bei der Verleihung der „Goldenen Kelle“ ein wichtiges Zitat des Prof. DI Franz Fehringer wieder ins Bewusstsein riefen:

„Niemand baut für sich allein. Jeder baut die Welt des Anderen mit!“

Seit einigen Jahren möchte ich durch meine Mitarbeit in der BI „Dorf bleiben!“ auf die zunehmende Bauaktivität von überdimensionierten Wohnanlagen im ländlichen Raum aufmerksam machen. In diesem Zusammenhang durfte ich auch Prof. Fehringer kennenlernen und erfuhr viel über seine wichtige Arbeit bezgl. der  Nö Dorferneuerung und als Gestaltungsbeirat. Auch das Land NÖ setzt viele Schritte, um die wunderbare Kulturlandschaft und Identität unseres Bundeslandes zu erhalten und zu stärken: von Gesetzen bis hin zu Bewusstseinsbildung.

Doch überall in NÖ werden mitten in gewachsene Dörfer von Baugenossenschaften riesige Wohnanlagen  hingepflockt. Manche gelungen und ortsverträglich, viele jedoch ohne Rücksichtnahme auf gewachsenes Umfeld und Anrainer.

Es werden

  • mangelhafte Gestaltungsbeiräte bzgl. Förderwürdigkeit der Projekte abgehalten (mit unserem Steuergeld)
  • Bauordnung und Raumordnungsgesetz missachtet (wo kein Kläger, da kein Richter; nur wenige Anrainer haben die Energie sich mit der Materie genau zu befassen)
  • Ortsbildgutachten „wunschgemäß“ erstellt (Kennen Sie ein negatives OBG zu einem Wohnanlagen- projekt einer  Baugenossenschaft?)
  • Verkehrsgutachten erstellt, deren Aussagekraft mehr in dem liegt, was nicht angesprochen wird
  • Anrainern Wertverluste ihrer Liegenschaft zugemutet, die an teilweise Enteignung grenzen
  • Empfehlungen des Landes NÖ ignoriert oder nicht genutzt, um zufriedenstellende Raumplanung und Bebauung zu erreichen – und das, obwohl diese Empfehlungen oft teuer mit Steuergeldern ausgearbeitet wurden (siehe z.B. Leitplanung Nordraum Wien und Verankerung im Regionalen ROP)
  • Drohungen (mit gerichtlicher Klage)  von Baugenossenschaften gegenüber Anrainern ausgesprochen, wenn diese ihre Rechte bei einer Bauverhandlung wahrnehmen
  • Bauverhandlungen abgehalten, bei denen sich die Vertreter der Gemeindeinteressen nicht immer über ihre Parteienstellung und Aufgabe bewusst sind
  • Falschmeldungen und Fehlinformationen von Gemeindevertretern bzgl. Genehmigungsverfahren zu Projekten an die Bevölkerung gegeben
  • u.n.v.m  –  das meiste habe auch ich selbst erlebt

Für die Anrainer solch maßloser Bauprojekte  sind  derartige Erlebnisse und deren Folgen durch massive Verschlechterung des Lebensraums sehr nachhaltig spürbar. Oft steht ein Großteil der jeweiligen Gemeindebevölkerung großvolumigen  Bauprojekten ablehnend gegen über, was die Gemeindevertreter nicht immer interessiert (Zitat: „Mir ist das wurscht – mir kann das eh nicht passieren/ ich bin eh nicht betroffen“).

 

Ich bin mir sicher, dass auch Sie in Ihrem Heimatort nicht erfreut wären, wenn eine Baugenossenschaft direkt neben Ihrem Haus ein Projekt mit einer Einwohnerdichte von 210 EW/ha verwirklichen würde. Dies entspricht  einer städtischen Bebauungsdichte und nicht dem ländlichen Raum mit Einwohnerdichten von rund 20 EW/ha. Die vom Land empfohlene Verdichtung auf 40 – 60 EW/ha im ländlichen Bereich ist gut durchdacht und verträglich realisierbar. Bodenresourcen gehören geschützt, Verhüttelung vermieden – alles klar verständlich.

Jedoch was vielerorts an Verdichtung betrieben wird (immer unter der Argumentation der Wirtschaftlichkeit) wirft die Frage auf:  Ist das maßvolle Verdichtung? ( z.B.  von 20 auf 210 EW/ha punktuell in einer kleinen Gemeinde, mit einer Erhöhung der Bebauungsdichte von 5,5% auf 56%) Hat man so viel Geld, Forschung und Zeit in die Ausarbeitung einer Leitplanung gesteckt, um dann das Ergebnis derart von den Baugenossenschaften missachten zu lassen? Ist das wirklich die Vorstellung der Verantwortlichen des Landes NÖ, wie unser ländlicher Raum sich entwickeln soll?

Natürlich können Sie sich kein Bild vor Ort oder im einzelnen Fall machen. Ich würde mich aber sehr freuen, wenn ich Ihr Interesse geweckt habe, genauer hinzusehen, wie die Baugenossenschaften vorgehen und damit oft dem Ansehen der Politik des Landes schaden. Denn die Bürger verlieren so ihr Vertrauen in ihre Vertreter (siehe auch GR-Wahl 2015 in Kreuzstetten).

Mir ist klar, dass dies nicht die größten Probleme sind, die unser Land derzeit plagen. Aber die Entwicklung, die der ländliche Raum dadurch nimmt, ist nicht mehr umkehrbar.

Ich danke Ihnen für Ihre Zeit und Aufmerksamkeit.

Mit freundlichen Grüßen

 

Elisabeth Perschl

 

 

 www.aktion21-austria.at/initiativen/dorf-bleiben

 

Auch diese Zitate von Prof. Fehringer - einem der Urväter der NÖ-Dorferneuerung - sollten sich die großen Baugenossenschaften und Entscheidungsträger bei großvolumiger Bautätigkeit verinnerlichen:

 

„Die Gemeinschaft der Gemeinde zu suchen und gleichzeitig ihre Eigenheit zu sprengen, bedeutet für den Städter die Zerstörung dessen, was er sucht.“ (Musterblätter)“

„Schütze und pflege Grünflächen, und seien sie auch noch so klein. Sie sind unsere grünen Lungen.“

„Baue mit Respekt vor dem, was schon vor dir da war!“

„Zerstöre den Maßstab nicht, behalte die durchschnittliche Größe der Baumassen, ihre Gliederung, ihren Rhythmus …!“

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